Reimpredigt Fastnacht 2024 – 16 Jahre Papst in Lohr

Fastnacht 2024 Papst in Lohr

Halleluja und Helau

Euch allen in diesem Kirchenbau!

Ich will ja nicht klagen,

aber ich muss es jetzt echt mal sagen:

Papst zu sein ist zur Zeit gar nicht schön

Scheinbar wollen sich alle gegen mich verschwör’n.

Den einen bin ich mit meinen Lehren zu modern,

den anderen liegen alle Traditionen fern.

Die Rechten halten mich für den Antichrist.

Die Linken geben mir die Schuld für jeden skandalösen Mist.

Tag aus, Tag ein die gleiche Mär:

Der Papst ist an allem schuld, bitte sehr.

Nichts läuft in dem Laden mehr rund,

ständig tut jemand seinen Widerspruch kund.

Am Anfang flogen mir die Herzen zu:

ein Papst aus Argentinien, das war der Clou.

Meine ersten Worte zu Schöpfung und Friede,

zur Bewahrung des Regenwald und der Amazonasgebiete

wurden noch von allen gelobt.

Doch jetzt? Nur noch chaotisches Gezeter tobt!

Sag ich, wir können keine Frauen zu Priestern weihen,

beginnen die deutschen Katholiken schon wieder zu schreien.

Verkünde ich für Geschiedene mehr Barmherzigkeit,

Unterstellt Kardinal Müller mir Verweichlichkeit.

Verkünde ich: Unter Umständen können wir auch Gleichgeschlechtliche segnen,

halten die Afrikaner mir den Vorwurf des Glaubensverrat entgegen.

Den einen kritisiere ich den Putin zu leise,

die anderen wollen endlich eine Ukraine-Reise.

Fordere ich Netanjahu auf, die Rache nicht zu überziehen,

wird „Er ist ein Feind Israels“ in den Medien geschrien.

Was ich auch sage und tu

Es gibt Streit und Widerspruch im Nu.

Aber nicht nur der Papst ist ein rotes Signal,

auch das Verhalten untereinander in der Kirche ist fatal.

Die Parteien und Ansichten streiten wie ein Hühnerhaufen.

Wenn ich welche hätte, würde ich mir ständig die Haare raufen.

Es herrscht Zedern, Hadern und einander ächten

statt In Ruhe miteinander reden und die Zukunft besprechen.

Manchmal meine ich auf der Titanic zu stehn

und das Schifflein Petri im Sinkprozess zu sehn.

Da steht der Kapitän und kann sich nur entsetzen

wie sie in der Mannschaft die Messer wetzen.

Jeder kreist um sich und seine Interessen.

Das Ganze, die Kirche Gottes, wird mehr und mehr vergessen.

Viele wollen eigene Vorstellungen von Kirche verklären,

so dass sie noch die paar Jahre währen,

die ich auch Erden lebe und bin,

Die Frage „was kommt danach“, kommt vielen nicht in den Sinn.

Es soll alles so bleiben und besteh’n,

wie ich es als das Beste wähn’.

Aber das ist kein Dienst an Kirche und Welt,

wenn einer nur seine Meinung für die richtige hält.

Kirche wie auf dem sinkenden Schiff,

die Moderne wird zum gefährlichen Riff

Zementieren wir am besten die Tradition

oder brauchen wir nicht eine echte Revolution?

Nichts von beiden kann uns retten,

wenn wir nicht ein wenig Glauben hätten.

Gott lenkt die Arche durch die Zeiten

und hilft ihr, über alle Wellen zu reiten.
Nur müssen wir unseren Teil auch bringen

und können nicht nur das Lied vom Untergang singen.

Kirche baut zuerst der Herr Jesus Christ,

aber jeder von uns ein lebendiger Baustein ist.

Nur zusammen kann der Bau gelingen,

den wir in Liedern so wundervoll besingen:
„Sein wandernd Volk will leiten der Herr in dieser Zeit

und hält am Ziel der Zeit dort ihm sein Haus bereit.“

Doch leider fehlt diese Einigkeit

Stattdessen herrscht oft nur egoistische Streitigkeit.

Ich würde mal eine Diagnose wagen:

zur Zeit leidet die Kirche an multiplen Vernunftversagen.

Wer so heftig zetert und unerbittlich streitet

wohl offensichtlich unter einer Blickverengung leidet.

Wir sind doch nicht da uns gegenseitig zu besiegen,

sondern um neue JüngerInnen für den Himmel zu kriegen.

Das Evangelium ist der Maßstab fürs Denken

nicht Macht und Überheblichkeit dürfen die Kirche lenken

Jesus überwindet alle Grenzen und Mauern

auch wenn die Alleswisser ihn ständig belauern.
Die Not der Menschen ist wichtiger als jedes Gesetz,

schließlich siegt bei Gott immer die Liebe zuletzt.

An diesem Sonntag wird – passend zum frohen Fest –
eine Heilung berichtet von Aussatz, von Pest.
Ein kranker Mann, der versteckt sollte bleiben,
der kannte Geschichten von Jesu Lehre und Treiben.
Er setze nun alles auf eine Karte:
Vielleicht heilt er auch mich und ich warte
bis er vorbei kommt. Dann werd‘ ich es wagen,
Kontakt aufzunehmen und ihn dabei zu fragen.
Hilft er mir, verheilt meine Wunde
der Lobpreis kommt laut dann aus meinem Munde.“

Jesus lebt ohne Berührungsangst und voll Liebe

Dann braucht es eine Kirche, die mehr Heil verkündet statt Hiebe.

Nicht detektivisch Fehler aufdecken

und mahnend den Zeigefinger recken,

wenn nicht alles bei den Menschen läuft wie vom Gesetz gewollt,

und ihnen ständigen predigen: „Ihr dürft nicht! Ihr müsst! Ihr sollt!Dem Menschen dienen und ihm Heilung schenken

dahin soll die Kirche ihr Streben lenken.

Sie soll die Wunden des Lebens verbinden

und den Menschen helfen, Hoffnung zu finden.

In einer Zeit, in der alles durcheinander gerät

braucht es eine Kirche, die Zuversicht sät.

Nicht den Menschen noch mehr Lasten schnüren

die eh schon die Schwere des Lebens so intensiv spüren.

Richtung und Orientierung wollen wir ihnen geben,

damit sie den rechten Weg finden in ihrem Leben.
Denn wer die Menschen ausbremst und Leben verhindert

statt dass er Hoffnung schenkt und Leiden lindert,

läuft voll am Beispiel Jesu vorbei

und ist so auch bald den Menschen einerlei.

Dass uns nicht Angst und Leid die Hoffnung rauben

das ist die Hoffnung, die kommt aus unserem Glauben

Doch zur Zeit ist dieses Ziel in der Kirche nur wenig zu spüren,

stattdessen wollen sich immer mehr Streithähne rühren.

Ob rechts oder links, Moderne oder Traditionalisten:
Ihre Intrigen lässt die Kirche bald ein Schattendasein fristen.

Mann muss in der Tradition feststehen

und gleichzeitig mutig in die kommenden Zeiten gehen.
Das Alte nicht vergessen und verachten,

aber auch die Zeichen der Zeit immer genau beachten.

Versöhnung ist in der Kirche für viele nicht mehr ihr Ziel.

Einseitgkeiten treiben immer mehr ein böses Spiel.

Da stört ein Papst, der zur Ordnung mahnt

und verschiedenen Ansichten ein Miteinander bahnt.

So würden Rechte und Linke ihn gerne in Rente schicken

und sich lieber eine Marionette nach ihrem Gusto stricken.

Doch den Stuhl Petri lasse ich noch lange nicht,

denn ich genieße es eigentlich,

zwischen allen Stühlen zu sitzen

wenn sich wegen mir die Gemüter erhitzen.

Als Papst muss ich mitunter provozieren,

auch wenn sich dann alle echauffieren.

Geht es um Schöpfung, Barmherzigkeit und Gottes Wille,

halte ich nicht lange stille,

mache den Mund auf, auch wenn es stört,

und sage, was Sache ist, damit es auch jeder hört.

Ich glaube, das mag der Heilige Vater wirklich sehr

positioniert er sich gegen jede Richtung und legt sich quer.

Das macht nicht beliebt und schafft keinen Jubel,

sondern bringt Unruhe und oft mächtigen Trubel.
Ich mach keinen Hehle aus meinem Denken,

ich kann ihm doch meine Sympathien schenken.
Mir scheint er ein ehrlicher Bote des Glaubens zu sein,

steht er auch oft auf dem Acker der Welt allein.
Ein Papst, der nicht zu einer Seite neigt,

sondern allen mal die Meinung geigt.
Der die Tradition bewahrt und sie klar sagt,

aber im Blick auf Moral auch mal neue Wege wagt.

Auch wenn ich nicht immer seiner Meinung bin,

seine Botschaft von der Zukunft mit Gott macht wirklich Sinn.

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Doch zum Glück bin ich nicht wirklich der Stellvertreter des Herrn,

ein solcher Ehrgeiz läge mir auch eigentlich sehr fern.

Ein jeder hier im Hause weiß,

dass ich nicht Franziskus heiß.

Ich bin nicht der Bischof von Rom

und das hier ist nicht der Petersdom.

Zum Glück, muss ich nicht die Weltkirche leiten.

Ich würde sie wahrscheinlich nur weiter in den Schlamassel reiten.

Drum kann ich das Schimpfen jetzt lassen

und mich mit wichtigeren Dingen befassen

Obwohl alles andere als eine Faschingsnarr

mach ich den Ambo zur Bütt seit fünfzehn Jahr’.

Seit dieser Zeit, also rund 5.500 Tage

walte ich in Lohr, hoffentlich noch nicht eine unerträgliche Plage.

Rechnen wir es in Stunden um,

sind’s 132.000 Minimum.

Solange bin ich bis jetzt in Lohr gesessen,

daran können sich nur wenige meiner Vorgänger messen.

Hab Glück, Freud, Trauer und Leid hier miterlebt

und stets gehofft, dass ihr mehr in den Klingelbeutel gebt.

Habe gut vierhundert Kinder durch die Taufe zu Christen gemacht,

und mehr als doppelt so viele Lohrer unter die Erde gebracht.

Geh ich über den Friedhof spazieren,

dann will mich der Eindruck oft irritieren:
Die Hälfte hier konnte ich auf dem letzten Weg begleiten,

Genug, ich muss meinen Segen nicht über alle Gräber ausweiten.

Es ist eine lange Zeit gewesen,

so konnte ich es in meinen Tagebüchern lesen.

Über das, was die Lohrer so treiben,

könnte ich viele Bücher schreiben.
Unsicher, ob es mehr Krimis, Tragödie oder wie in Liebesromanen

Satiren, Komödien oder mehr Heiligenlegenden waren.

Pfingsten 2008 mussten viele Lohrer staunen.

Bei den ersten Predigten füllte die Reihen ein mächtiges Raunen.
Wie der da vorne brüllt und schreit,

da machten sich viele Erinnerungen breit:

Ist Dekan Haller wieder da?

Wird alles so, wie es in den sechziger Jahren war?

Tobt und krakelt wie eins zu Hallers besten Zeiten

als er die Lohrer Katholiken mit fester Hand konnte leiten.

Der drohte schon mal Politikern die Beichte an

und zog durch Stadt mit Dobermann.

Fackelte das Pfarrhaus vor sechzig Jahren fast ab

und hielt als Dekan seine Kapläne auf Trab.

Er war ungelogen eine echte Institution,

und jetzt kommt einer, der hat den gleichen lauten Ton.
Kehren die alten Zeiten zurück,

und wird das für Lohr wirklich zum Glück?

Die Gemeinden waren heftig geschlagen

mussten noch schwer am Tod des letzten Pfarrers tragen.

Da kam aus der Rhön der dicke Mann

und kündigte schon in den ersten Worten an:

Eure Hoffnung auf den jungen und schönen

die könnt ihr euch gleich abgewöhnen.
Jetzt habt ihr mich, ihr könnt’s nicht ändern

gewichtig und mit Haaren nur noch an des Kopfes Rändern.

Träumt ihr von einem jungen, eleganten Gottesmann

auf den müsst ihr jetzt warten, denn jetzt bin ich erst dran.

Ich wurde auch recht freundlich willkommen geheißen.

Aber höflich wollte man auch auf Erwartungen hinweisen:

Nach zehn Jahren Kur in Bad Brückenau in der Rhön

sollte ich jetzt was arbeiten, so konnte ich es bei der Einführung hörn.

Lange genug erholt und am Kurwasser gelabt,

es wird Zeit, dass der Pfarrer mal zum Arbeiten trabt.

So grüßte damals mich der Michael Schecher,

beim ersten Gottesdienst unter lautem Gelächter.

In sechzehn Jahren habe ich wirklich alles erlebt

und kein Staunen sich mehr erhebt

kommen Menschen mit neuen Skandalen und Gerüchten,

in denen sie Schreckliches mir berichten:

Wer hat Negatives vom Nachbarn erzählt!

Wer hat wie oft in der Kirche gefehlt!

Weil lieber im Bett geblieben

Oder sonst Beklagenswertes getrieben.

Wem gefallen Familiengottesdienste nicht,

wer umgeht die Kirchgeldpflicht.

Wer ist aus der Kirche ausgetreten,

weil er glaubt, er könnte ja im Wald noch besser beten.

Doch zugleich will er die Kirchlichen Leistungen verwenden

Ohne vorher für Sozialstation, Kindergarten, Altenheim und Sakramenten zu spenden.

Blick ich zurück, ist vieles geschehen.

Viel Gutes, manche Fehler gilt es zu sehen.
Ich habe als Baumeister avanciert

und Kirchen, Kitas, Pfarrheime und Büros renoviert.

Habe mit der Gemeinde die Welt bereist,

und war auch sonst hier sehr glücklich – meist.

Habe mit Bischof, Stadtrat und Bürgermeister gestritten,

und mit meiner Gemeinde in Corona-Zeiten gelitten.

Ich habe mich bemüht, ein guter Pfarrer zu werden,

und die Botschaft des Glaubens für das Leben zu erden.

Nicht alles, was wir hier mit Elan angefangen,

ist auch immer perfekt ausgegangen,

aber mit vielen Ehrenamtlichen in allen Bereichen,

konnten wir es doch erreichen,

dass die Pfarrei lebendig und offen sich präsentiert,

und ein oft ein anderes Bild von Kirche offeriert

für Menschen, die nach Sinn und Hoffnung streben,

und einfach in der Welt ihren Glauben leben.

Auch wenn meine Pfarrei nicht die ganze Welt ist

so doch der Pastoralen Raum Lohr bald Bistumsgröße misst.

Und 16 Jahre als Quasi-Papst in Lohr

da wird man es bekanntlich g`wor

Noch walte ich als Hirte hier Ort

aber bekanntlich zieht es mich im Sommer fort.

Vor Wochen versprach ich Stein und Bein

Ich werde niemals ein Würzburger sein.

Jetzt zieht es mich den Main weiter in die Bischofsstadt

Bin ich des Spessarts überdrüssig? Hab ich Lohr wirklich satt?

Nein, natürlich nicht – ich könnte hier bleiben

Ich wüsste wohl, mir die Zeit zu vertreiben.

Doch muss ich gestehen, dass sechzehn Jahre reichen,

es ist Zeit für einen Neuen zu weichen.

Ich stelle mir vor, dass ich nochmals so lange hier amtiere,

bevor ich endgültig für die Rente den Dienst quittiere

Wahrscheinlich ging es aus dem Pfarrhaus ins Seniorenheim

und die letzte Station würden einige Meter weiter der Friedhof sein.

Den Rest meines Lebens bei euch zu verbringen,

lautstark zu predigen und falsch zu singen.

Wäre das wirklich für alle ein Traum?
Ich denke, es ist Zeit: Ein anderer soll hier in den Raum.

Schöner und jünger werde ich nicht mehr,

also soll doch ein Neuer her,

der anderer Ideen bringt

und vielleicht auch mal ein wenig besser singt.

Pfarrer kommen und Pfarrer gehen

Nur die Gemeinden, die bleiben bestehen.

Deshalb wird die Belagerung abgebrochen,

und zu neuen Ufern in den Main gestochen.

Rebellen haben sich dort im Frauenland erhoben

die mit Riesenprotesten gegen Ordinariat und Generalvikar toben.

Da muss ein friedlicher Mensch wie ich jetzt hin,

weil ich bekanntlich ja absolut loyal zur Bistumsleitung bin.

Wie jeder weiß, hegte ich immer nur Sympathien für das Ordinariat

und verehre den Bischof und seinen willigen Bürokraten-Hofstaat.

Na gut, möglicherweise waren das nicht wirklich meine besten Qualitäten.

Denn auf Würzburg schimpfen kann ich fast so gut wie Beten.

Vielleicht, so denken sich die hohen Herren in ihrer Genialität,

folgt die Lösung dem mathematischen Gesetz der Polarität.

Lässt man zwei Rebellen aufeinander los –

was kommt da raus? Was gibt das bloß?
Minus und Minus soll Plus ergeben,

könnte man das künftig auch in Würzburg erleben?

Werden Pfarrei und Pfarrer sich gegenseitig neutralisieren

und so zum loyalen Außenposten des Domes mutieren?

Ich bin gespannt und ahne wie viele schon

die Rechnung geht nicht auf, das wäre Illusion

Doch habe ich noch hier in Lohr meine Zeit,

der Wechsel im Sommer ist noch weit.

Ich genieße die verbleibenden Tage

und hoffe, ich werde euch dabei nicht zur Plage.

Es sind noch sechs Monate Frist,

und damit ihr es alle hier wisst:

Ich will die Zeit noch in rechter Weise auskosten

und lass auch die Ehrenamtlichen nicht einfach rosten.

Ich habe noch viele Pläne und Ideen

ihr werdet es in den nächsten Wochen schon sehen.

Wir verfallen nicht in Wehmut und nostalgischen Rausch.

Bevor ich meinen Platz hier mit einem anderen Pfarrer tausch’,

will ich noch mit euch einiges erleben

und nach großen Projekten streben.

Ich freue mich auf die kommende Zeit

und hoffe, wir sind noch alle bereit,

die Gemeinde noch lebendig und fromm zu bewahren,

so dass erkennen die Bewerberscharen:

Stellst du dir die schönste Gemeinde auf Erden vor

Kein Problem: Du findest sie in Lohr.“
So grüß ich ein letztes Mal zur Fastnacht in diesem Bau

und ruf noch einmal laut Halleluja und dezenter noch Helau.

Fasching 2024 Druck