Liebe Schwestern und Brüder
Ein Bischof bringt Deutschland zum Lachen. Haben Sie es auch auf YouTube gesehen? Der Passauer Bischof Stefan Oster erzählt am Ende der Osternacht seinen traditionellen Osterwitz, eine durchaus humorige, aber weitgehend brave Erzählungen über ein Missverständnis von WC und Waldkapelle im bayrischen Wald vor rund 100 Jahren. Wahrscheinlich hätten die meisten von uns beim Lesen der Geschichte leicht geschmunzelt, dann aber weitergeblättert. Aber der spontane Lachanfall von Bischof Oster hat ganz Deutschland mitgerissen. Mittlerweile wurde der Moment im Video millionenfach angeschaut und von allen großen deutschen Zeitungen und Medien weitergegeben: Süddeutsche, Spiegel, FAZ, ZEIT, BILD, aber auch Nachrichtensender haben uns live mitlachen lassen über einen ansteckende Ausbruch von Freude eines deutschen Oberhirten, der sonst als Vertreter der römisch-katholischen Kirche in Deutschland sicher nicht viel zu Lachen hat
. Das war ein klarer Punktgewinn in der Bemühung um Sympathie in der Öffentlichkeit. Ich unterstelle Bischof Oster nicht, dass er auf diese Reaktion abgezielt hat. Er kommt aus dem Bereich des Journalismus und ist ein wahrer Meister im Umgang mit Medien, aber als Bischof zeigt er sich so profiliert und konsequent, dass man ihm schlecht Buhlen um Applaus in der Gesellschaft unterstellen kann. Er pflegt die Tradition des Osterwitzes schon lang und man kann gut erkennen, dass der Lachanfall nicht eingeübt war. Dennoch ist die kritische Nachfrage an die Medien erlaubt, warum dieser Witz einen solchen Nachhall fand, während seine durchaus hörenswerte Osterpredigt keinen Eingang in die Berichterstattung fand. Das lässt den Verdacht aufkommen, dass es im Blick auf Kirche – im Positiven wie im Negativen – oft nur um das Vordergründige geht. Großes Nachdenken ist heute in der Regel nicht mehr gefragt. Ein Witz wirkt särker als lange Predigten und ein Skandal bewegt mehr Menschen als eine Auseinandersetzung, was Kirche sein soll in dieser Welt. Es gibt also nach dem großen Erfolg des „risus paschalis“ Grund für Nachfragen an die Öffentlichkeit, die Medien und uns selbst.
Aber vielleicht kann die große österliche „Lachattacke“ aus dem Passauer Dom auch die Frage aufwerfen, ob und wie viel Spaß der Glaube machen darf?
Anselm Grün hat das Bild vom Weinstock im heutigen Evangelium als „reine Mystik“ charakterisiert. Die Bilderwelt von Weinberg, Weinstock, Reben, Wein ist fest verankert in der Bibel. Das alte Testament überträgtsie auf das Volk Israel und seine Beziehung zu Gott, der als Winzer sich um seinen Weinberg und die Rebstöcke sorgt. Nicht immer ist das Bild positiv besetzt. Jesaja übt in seinem Weinberglied (Jes 5,1-7) deutliche Kritik an der Fruchtlosigkeit des Volkes. Jesus nimmt das Bild vom Weinstock auf und identifiziert sich selbst als der „wahre Weinstock“. Anselm Grün schreibt: „Er ist das wahre Israel. In ihm verwirklicht sich, was dem Volk Israel verheißen war: dass Gott in seiner Mitte wohnt und dass das Volk Gottes Gebot erfüllt und auf diese Weise Frucht bringt.“ (Anselm Grün; Jesus – Wege zum Leben; 556f.)
Über diese geistliche Dimension der Beziehung zwischen Gott und seinem Volk, erfährt der Wein in der Bibel auch eine immens positive Deutung als Ausdruck von Lebensfreude erfährt, wie im Psalm 104 festgehalten, in dem der Mensch dem Schöpfer dankt für den „Wein, der das Herz des Menschen erfreut“ (Ps 104,14).
Wein ist Lebenslust. Die Griechen verehrten einen eigenen Gott des Weines und der Ekstase, Dionysos. Wenn der Mensch nur auf sich und seine Aufgaben fixiert ist, verkümmert er. Er braucht auch die Ekstase und das Sorglose, das die Grenzen des Alltäglichen überschreitet. Johannes und die Kirchenväter haben diesen Gedanken aufgegriffen und christlich eingeordnet. Der besinnungslose Rausch, der aus dem Missbrauch von Genussmitteln kommt, verleiht keine Lebensfreude, sondern betrügt den Menschen. Wahre Ekstase, die uns über uns und unsere kleine Welt voller Sorgen hinausführt, kommt aus der Vereinigung mit Christus. Anselm Grün verweist auf den Kirchenlehrer Origenes, der das Bild vom Weinstock schon vor mehr als 1700 Jahren so deutet: „Das Wort Jesu ist wie der Wein, der uns ein „Gefühl der Inspiration verleiht und uns mit einem Rausch erfüllt, der nicht unvernünftig ist, sondern göttlich.“ (Grün 558). Das Bild des Weinstocks drückt die freudige Seite unseres Glaubensweges aus. Das Ziel unseres Wege ist die unbegrenzte Freude in der Vereinigung mit Gott.
Diesen Gedanken verstärkt der liturgische Ort der Verkündigung des Evangeliums am 5. Sonntag der Osterzeit. Im Johannesevangelium hat das Wort „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben“ seinen Platz im Abendmahlssaal während der Abschiedsreden Jesu vor seiner Kreuzigung. Die Kirche aber liest das Evangelium als österliche Botschaft nach der Auferstehung Jesu. So ist die Aufforderung „in Jesus zu bleiben“ keine moralische Verpflichtung, sondern eine Verheißung. Es geht nicht länger um das, was der Mensch aus der Einhaltung von Gottes Geboten leisten kann, sondern um die Frucht, die der Mensch bringen wird, wenn sein Leben mit dem auferstandenen Christus verbunden ist. Im Vordergrund stehen nicht große Leistungen und christliche Heldentaten, sondern ein Leben aus dem Geist Jesu, der den Menschen aus seiner Fixierung auf sich selbst reißt und für ein Leben in Gemeinschaft mit Gott öffnet. Anselm Grün schreibt: „Das Ego ist aus sich heraus unfruchtbar. Die Quelle unserer Vitalität und Kreativität liegt in unserer Mitte, in der wir eins sind mit Christus.“ (559)
Wir können unser Lebensglück weder durch große Worte noch durch große Leistungen und Erfolge erzwingen. Wir können vielleicht Geniales vollbringen, aber wenn es nicht in der Liebe zu Gott und den Menschen wurzelt, wird es irgendwann kalt und unmenschlich. Lassen wir aber Gott die Mitte sein, dann sind wir bei uns selbst und kommen zu unserer Mitte. Das Bild vom Weinstock lädt ein, aus der Mitte zu leben, aus der inneren Sicherheit, dass ich fest mit dem Auferstandenen verbunden bin, und so Freude am Leben mit all seinen Begrenzungen, Endlichkeiten und Dunkelheiten haben darf. Predigt 5. Sonntag der Osterzeit B
„Ich bin der Weinstock“
Liebe Schwestern und Brüder
Ein Bischof bringt Deutschland zum Lachen. Haben Sie es auch auf YouTube gesehen? Der Passauer Bischof Stefan Oster erzählt am Ende der Osternacht seinen traditionellen Osterwitz, eine durchaus humorige, aber weitgehend brave Erzählungen über ein Missverständnis von WC und Waldkapelle im bayrischen Wald vor rund 100 Jahren. Wahrscheinlich hätten die meisten von uns beim Lesen der Geschichte leicht geschmunzelt, dann aber weitergeblättert. Aber der spontane Lachanfall von Bischof Oster hat ganz Deutschland mitgerissen. Mittlerweile wurde der Moment im Video millionenfach angeschaut und von allen großen deutschen Zeitungen und Medien weitergegeben: Süddeutsche, Spiegel, FAZ, ZEIT, BILD, aber auch Nachrichtensender haben uns live mitlachen lassen über einen ansteckende Ausbruch von Freude eines deutschen Oberhirten, der sonst als Vertreter der römisch-katholischen Kirche in Deutschland sicher nicht viel zu Lachen hat. Das war ein klarer Punktgewinn bei der Bemühung um Sympathie in der Öffentlichkeit. Ich unterstelle Bischof Oster nicht, dass er auf diese Reaktion abgezielt hat. Er kommt aus dem Bereich des Journalismus und ist ein wahrer Meister im Umgang mit Medien, aber als Bischof zeigt er sich so profiliert und konsequent, dass man ihm schlecht Buhlen um Applaus in der Gesellschaft unterstellen kann. Er pflegt die Tradition des Osterwitzes schon lang und man kann gut erkennen, dass der Lachanfall nicht eingeübt war. Dennoch ist die kritische Nachfrage an die Medien erlaubt, warum dieser Witz einen solchen Nachhall fand, während seine durchaus hörenswerte Osterpredigt keinen Eingang in die Berichterstattung fand. Das lässt den Verdacht aufkommen, dass es im Blick auf Kirche – im Positiven wie im Negativen – oft nur um das Vordergründige geht. Großes Nachdenken ist heute in der Regel nicht mehr gefragt. Ein Witz wirkt särker als lange Predigten und ein Skandal bewegt mehr Menschen als eine Auseinandersetzung, was Kirche sein soll in dieser Welt. Es gibt also nach dem großen Erfolg des „risus paschalis“ Grund für Nachfragen an die Öffentlichkeit, die Medien und uns selbst.
Aber vielleicht kann die große österliche „Lachattacke“ aus dem Passauer Dom auch die Frage aufwerfen, ob und wie viel Spaß der Glaube machen darf?
Anselm Grün hat das Bild vom Weinstock im heutigen Evangelium als „reine Mystik“ charakterisiert. Die Bilderwelt von Weinberg, Weinstock, Reben, Wein ist fest verankert in der Bibel. Das alte Testament überträgtsie auf das Volk Israel und seine Beziehung zu Gott, der als Winzer sich um seinen Weinberg und die Rebstöcke sorgt. Nicht immer ist das Bild positiv besetzt. Jesaja übt in seinem Weinberglied (Jes 5,1-7) deutliche Kritik an der Fruchtlosigkeit des Volkes. Jesus nimmt das Bild vom Weinstock auf und identifiziert sich selbst als der „wahre Weinstock“. Anselm Grün schreibt: „Er ist das wahre Israel. In ihm verwirklicht sich, was dem Volk Israel verheißen war: dass Gott in seiner Mitte wohnt und dass das Volk Gottes Gebot erfüllt und auf diese Weise Frucht bringt.“ (Anselm Grün; Jesus – Wege zum Leben; 556f.)
Über diese geistliche Dimension der Beziehung zwischen Gott und seinem Volk, erfährt der Wein in der Bibel auch eine immens positive Deutung als Ausdruck von Lebensfreude erfährt, wie im Psalm 104 festgehalten, in dem der Mensch dem Schöpfer dankt für den „Wein, der das Herz des Menschen erfreut“ (Ps 104,14).
Wein ist Lebenslust. Die Griechen verehrten einen eigenen Gott des Weines und der Ekstase, Dionysos. Wenn der Mensch nur auf sich und seine Aufgaben fixiert ist, verkümmert er. Er braucht auch die Ekstase und das Sorglose, das die Grenzen des Alltäglichen überschreitet. Johannes und die Kirchenväter haben diesen Gedanken aufgegriffen und christlich eingeordnet. Der besinnungslose Rausch, der aus dem Missbrauch von Genussmitteln kommt, verleiht keine Lebensfreude, sondern betrügt den Menschen. Wahre Ekstase, die uns über uns und unsere kleine Welt voller Sorgen hinausführt, kommt aus der Vereinigung mit Christus. Anselm Grün verweist auf den Kirchenlehrer Origenes, der das Bild vom Weinstock schon vor mehr als 1700 Jahren so deutet: „Das Wort Jesu ist wie der Wein, der uns ein „Gefühl der Inspiration verleiht und uns mit einem Rausch erfüllt, der nicht unvernünftig ist, sondern göttlich.“ (Grün 558). Das Bild des Weinstocks drückt die freudige Seite unseres Glaubensweges aus. Das Ziel unseres Wege ist die unbegrenzte Freude in der Vereinigung mit Gott.
Diesen Gedanken verstärkt der liturgische Ort der Verkündigung des Evangeliums am 5. Sonntag der Osterzeit. Im Johannesevangelium hat das Wort „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben“ seinen Platz im Abendmahlssaal während der Abschiedsreden Jesu vor seiner Kreuzigung. Die Kirche aber liest das Evangelium als österliche Botschaft nach der Auferstehung Jesu. So ist die Aufforderung „in Jesus zu bleiben“ keine moralische Verpflichtung, sondern eine Verheißung. Es geht nicht länger um das, was der Mensch aus der Einhaltung von Gottes Geboten leisten kann, sondern um die Frucht, die der Mensch bringen wird, wenn sein Leben mit dem auferstandenen Christus verbunden ist. Im Vordergrund stehen nicht große Leistungen und christliche Heldentaten, sondern ein Leben aus dem Geist Jesu, der den Menschen aus seiner Fixierung auf sich selbst reißt und für ein Leben in Gemeinschaft mit Gott öffnet. Anselm Grün schreibt: „Das Ego ist aus sich heraus unfruchtbar. Die Quelle unserer Vitalität und Kreativität liegt in unserer Mitte, in der wir eins sind mit Christus.“ (559)
Wir können unser Lebensglück weder durch große Worte noch durch große Leistungen und Erfolge erzwingen. Wir können vielleicht Geniales vollbringen, aber wenn es nicht in der Liebe zu Gott und den Menschen wurzelt, wird es irgendwann kalt und unmenschlich. Lassen wir aber Gott die Mitte sein, dann sind wir bei uns selbst und kommen zu unserer Mitte. Das Bild vom Weinstock lädt ein, aus der Mitte zu leben, aus der inneren Sicherheit, dass ich fest mit dem Auferstandenen verbunden bin, und so Freude am Leben mit all seinen Begrenzungen, Endlichkeiten und Dunkelheiten haben darf.
Johannes verbindet das Wort vom Bleiben in Jesus und dem Fruchtbringen mit der Vorstellung vom Reinigen der Reben. In der österlichen Perspektive überschreitet die Aufforderung eine rein moralische Dimension und wird zur Zusage, dass wir im österlichen Geheimnis von Tod und Auferstehung Jesu eine neue Qualität des Lebens erfahren dürfen. Pater Anselm beschreibt die Zusage des Auferstandenen: „Es ist gut, so wie du bist. Du bist rein. Du bist von Gott als gut geschaffen. Das Gute und Reine ist stärker als alle Sünde. Wenn du dich der Liebe öffnest, dann ist alles in dir rein, dann wird alles Unlautere geläutert und verwandelt.“
Darf Glaube Spaß machen?
Ja! Er ist sicher kein Beitrag zur Gier nach Belustigung, die aktuell in unserer Gesellschaft spürbar ist, aber er ist eine Befreiung zur Lebensfreude, die aus der Gewissheit kommt, dass wir in der Verbindung mit Jesus nichts verlieren, sondern zu unserem wahren Selbst und zu unserer Mitte finden, weil wir erkennen, dass wir nur mit ihm wirklich Früchte der Liebe bringen können, die der Welt und den Menschen dienen. Amen.
Sven Johannsen, Pfarrer
Johannes verbindet das Wort vom Bleiben in Jesus und dem Fruchtbringen mit der Vorstellung vom Reinigen der Reben. In der österlichen Perspektive überschreitet die Aufforderung eine rein moralische Dimension und wird zur Zusage, dass wir im österlichen Geheimnis von Tod und Auferstehung Jesu eine neue Qualität des Lebens erfahren dürfen. Pater Anselm beschreibt die Zusage des Auferstandenen: „Es ist gut, so wie du bist. Du bist rein. Du bist von Gott als gut geschaffen. Das Gute und Reine ist stärker als alle Sünde. Wenn du dich der Liebe öffnest, dann ist alles in dir rein, dann wird alles Unlautere geläutert und verwandelt.“
Darf Glaube Spaß machen?
Ja! Er ist sicher kein Beitrag zur Gier nach Belustigung, die aktuell in unserer Gesellschaft spürbar ist, aber er ist eine Befreiung zur Lebensfreude, die aus der Gewissheit kommt, dass wir in der Verbindung mit Jesus nichts verlieren, sondern zu unserem wahren Selbst und zu unserer Mitte finden, weil wir erkennen, dass wir nur mit ihm wirklich Früchte der Liebe bringen können, die der Welt und den Menschen dienen. Amen.
Sven Johannsen, Pfarrer