“Gekleidet in Gewänder des Heils” Predigt Hochfest der Aufnahme Mariens in den Himmel

Maria in Jeans und Pulli?

Predigt Mariä Himmelfahrt 2023

Krone, Broschen, goldener Herrschermantel einer byzantinischen Königin, fließend und enganliegende Robe einer mittelalterlichen Fürstin, barockes Festkleid mit rauschendem Faltenwurf – Maria kann alles tragen. Das macht manche Frau / manchen Mann neidisch: An Maria sieht einfach alles gut aus. Wir sehen sie in unzähligen Kollektionen auf Bilder, Mosaiken, Statuen: als Himmelskönigin mit rauschendem Ornat, als meditierende junge Frau in einfachem Gewand, als Pieta in dunklem Trauerkleid – an Maria sieht einfach alles gut aus. Wirklich alles?

Auch Jeans und Rollkragenpulli? So nämlich tritt sie den Kirchen- und Gottesdienstbesuchern in der St. Clemenskirche in Drolshagen im Sauerland entgegen. 2021 wurde dort nach der Renovierung der Kirche ein neues Altarbild installiert, das für Aufregung sorgte und sogar das Interesse der FAZ, der Bild-Zeitung und des umstrittenen Fernsehsenders „Russia Today“ weckte. Der Künstler Thomas Jessen aus Eslohe schuf ein Triptychon, das Maria in Jeans und Schlabberpulli auf einer Haushaltsleiter zeigt. Neben ihr stehen Veronika und auf der anderen Seite – mit nacktem Oberkörper – der Apostel Thomas. Die Szene erinnert an die Instandsetzung einer Wohnung, wohl dem Umstand geschuldet, dass das Bild nach der Renovierung des Gotteshauses der Gemeinde entstand. Es war allen Verantwortlichen von vornherein bewusst, dass diese Darstellung nicht ohne Widerspruch bleiben würde. Maria auf einer Trittleiter, Thomas mit freiem Oberkörper und die heilige Veronika als moderne Bildhauerin – viele werden sich wundern, manche protestieren. Darf man Maria und Heilige so malen? Der Pfarrer der Gemeinde Markus Leber ist überzeugt: Man darf. Völlig richtig stellt er fest: „Maria ist doch nicht in Nazareth mit Krönchen herumgerannt. Sie war eine normale Frau.“ (in CiG 23/2021) Keiner wird bestreiten, dass Maria als historische Person die Alltagskleider ihrer Zeit trug und nicht als byzantinische Herrscherin, gotische Edelfrau oder barocke Fürstin verkleidet war. Sie war ein Mensch unter Menschen in einem Dorf, Nazaret, in dem jeder mit jedem verwandt war und man / frau unter keinen Umständen besonders auffallen wollte. Weder bei den Alltagsarbeiten noch bei den Festen wird sich Maria von den Frauen ihres Dorfes durch ihre Kleidung besonders abgehoben haben. Die Darstellung Mariens in Jeans und Rollkragenpullover bringt ins Bild, was Papst Johannes Paul I einmal über sie sagte: „Es ist schön, Maria als Jungfrau und Mutter Gottes zu ehren, als die in den Himmel Aufgenommene und als die unbefleckt Empfangene, doch man kann sie auch Maria der Teller nennen, des Besens und der Kochtöpfe, sie spülte die Teller, kochte das Essen und putzte den Fußboden.“

Maria war ein Mensch dieser Welt in ihrer Zeit und sie lebte eingebunden in die sozialen Bindungen ihrer Umwelt. Wäre sie ein Mensch unserer Tage, dann wären wahrscheinlich Jeans und Pulli ihre Kleidungswahl.

Aber zwei Details am Bild von Jessen lassen nachfragen: Das der Künstler sie auf einer Trittleiter malt, ist keine Inszenierung, sondern erinnert an den Gedanken des Heiligen Augustinus, dass Christus die Stufe ist, die Gott zwischen Erde und Erde gestellt hat. Maria ist uns, so könnte man das Bild deuten, bereits einen Schritt voraus. Es muss also um ein österliches Thema gehen.

Eine zweite Beobachtung: Maria reicht dem Apostel Thomas ihren Gürtel. Das Motiv entstammt einer alten Legende, die mit dem heutigen Fest zu tun hat. Wie schon im Johannes-Evangelium nach der Auferstehung Jesu tritt Thomas als der große Zweifler auf, der „begreifbare“ Beweise fordert. Die Legende erzählt, dass Jesus Maria drei Tage nach ihrer Beisetzung zu sich in den Himmel aufnimmt und das Grab leer zurückbleibt. Wieder war Thomas bei der Bestattung nicht dabei und glaubt daher nicht an ihre Aufnahme in den Himmel. Daraufhin fällt der Gürtel Mariens vom Himmel und Thomas ist nun überzeugt. Heute wird der Gürtel der Gottesmutter als Reliquie auf dem Berg Athos aufbewahrt.

Das Motiv des Altares kreist nicht um die historische Maria in ihrem Alltagsleben in Nazaret, sondern um die Gottesmutter, die mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen wurde. Muss dieser Umstand nicht im Bild deutlich werden? Die historische Figur Mariens kann man sicher ohne Widerspruch in unsere Zeit und unser Mode holen. Das haben alle Epochen so gehalten. Aber gilt für die österliche Gestalt Mariens das auch? Müsste sie nicht verklärter, erhabener, festlicher auftreten? Sie ist immerhin die Mutter des Herrn, die als erster Mensch jene Vollendung erlangt hat, zu der wir alle berufen sind.

Dennoch kann ich zustimmen, auch in dieser Motivik Maria als Mensch in der Zeit darzustellen. Vielleicht wollte der Künstler uns damit an die Botschaft dieses Festes erinnert, das ja nicht nur eine besondere Auszeichnung Mariens ehrt, sondern auch von unserer Zukunft spricht: Unsere irdische Geschichte und unsere Persönlichkeit sind Stoff für die Ewigkeit. Ganz sicher ist das ewige Leben nicht einfach die Fortsetzung unserer irdischen Lebenstage, aber dennoch ist die Auferstehung nicht ein völliger Bruch mit unserem Dasein auf Erden. Wir können wenig sagen über das ewige Leben, zu dem wir gerufen sind, aber ich bin mir sehr sicher, dass wir nicht etwas sein müssen, was nicht zu uns passt. Das ging schon bei Ludwig Thomas „Münchner im Himmel“ nicht gut. Weder Manna, Harfe noch das weiße Kleid wollten ihm so recht gefallen. Ich bin überzeugt, dass Gott auch uns nicht zwingen wird, uns zu verstellen und zu verkleiden. Die Jeans und der Pulli der Muttergottes sind auch ein Hinweis darauf, dass unsere Geschichte auch im Himmel nicht abgeschlossen ist.

Ebenso erinnern sie an das Wort des Apostel Paulus, das wir heute im 1. Korintherbrief hören: „Wenn sich dieses Verwesliche mit Unverweslichkeit bekleidet und dieses Sterbliche mit Unsterblichkeit, dann erfüllt sich das Wort der Schrift: Verschlungen ist der Tod vom Sieg.“

Kleidungsstücke sind Elemente der Zeit. Jesus warnt sogar davor, die Sorge um sie nicht in den Vordergrund zu stellen: „Und was sorgt ihr euch um eure Kleidung?  Beobachtet die Lilien des Feldes,  wie sie wachsen:  Sie arbeiten nicht und spinnen nicht. Doch ich sage euch: Selbst Salomo in all seiner Pracht  war nicht gekleidet wie eine von ihnen.“ (Mt 6,28f.) Kleider machen Leute. Wenn in Schulen nicht bestimmte Marken getragen werden, kann ein Kind / Jugendlicher schnell in die Außenseiterrolle geraten. Wie wir uns kleiden, gibt Auskunft wie wir uns empfinden: lässig, stolz, herausgehoben, besonders, schüchtern. Es gibt Zeiten für das Abendkleid und den Anzug, Zeiten für Blaumann und Schürze, Zeiten für Jeans und T-Shirt. Je nach Anlass wissen wir uns richtig in Schale zu werfen. Kleider unterscheiden uns, aber sie helfen uns auch, uns wohlzufühlen. Dennoch sind sie Elemente des vergänglichen Lebens, das der Verwesung unterworfen ist. Diese Leben aber, so Paulus, stirbt nicht einfach ab, sondern wird umkleidet mit der Unverweslichkeit. Maria kann alles tragen, auch als Gottesmutter, die in den Himmel aufgenommen ist. Sie bleibt doch immer Maria, die Gott als erste von uns mit dem Kleid der Unsterblichkeit, mit den Gewändern der Heils umhüllt hat.

Wir feiern das Hochfest der Aufnahme Mariens in den Himmel als das Osterfest des Sommers. Daher legt sich die Frage nach unserem österlichen Kleid nahe. Wir pflegen oft noch den Brauch, unseren Verstorbenen beim Abschied ihre Lieblingskleid oder ihren Festtagsanzug anzulegen. Aber wir glauben nicht wirklich, dass sie im roten Blumenkleid oder im schwarzen Hochzeitsanzug uns einmal beim himmlischen Hochzeitsmahl entgegentreten werden. Dennoch zeigt der Brauch, dass unser Glaube weiß, dass sie nicht körperlos sind, reine Geistwesen, abstrakte Gestalten, sondern Profil und Persönlichkeit behalten. Vielleicht wird uns einmal der Opa im Blaumann begegnen, in dem wir ihn immer in seiner Werkstatt gesehen haben, oder die Oma in der Kochschürze, in der sie sich wohlgefühlt hat in ihrem eigenen Reich. So einfach und verschlissen sie uns in ihrer Lebenszeit erschienen, sie werden Gewänder des Heils sein, in die Gott sie gehüllt hat. Denn er will, dass wir bei ihm wir selbst sind und uns nicht verkleiden müssen. Ich bezweifle sehr, dass wir alle in weißen Gewändern würdig schweben oder schreiten müssen. Gott kann auch aus Jeans und Schlabberpulli das Gewand der Unsterblichkeit schneidern . Und wie Maria werden wir dann alles tragen können. Amen.                                                                                                                      Sven Johannsen, Lohr

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