Predigt Dreifaltigkeit 2023 “In necessariis unitas, in dubiis libertas, in omnibus caritas”

Liebe Schwestern und Brüder,

Sinnsprüche, mehr oder weniger klug, sprechen uns jeden Tag in Zeitungen, auf Facebook und von Kalenderblättern an. “ In großen Lettern kann man einen sehr weisen Sinnspruch über Schulen, Universitäten und vielen Bildungseinrichtungen lesen, gleichsam als eine Grundregel für das Leben des einzelnen Menschen und für das zivilisierte Zusammenleben von gebildeten Menschen: „In necessariis unitas, in dubiis libertas, in omnibus caritas“ „In den notwendigen Dingen Einheit, in zweifelhaften Dingen Freiheit, in allen Dingen Liebe.

Dieses kurzgefasste Ideal für ein menschliches Miteinander wurde lange dem heiligen Augustinus zugeschrieben, heute wissen wir, dass der Satz sich wohl erstmals in einem Werk des kroatischen Jesuiten Marcantun de Dominis zu Beginn des 17. Jahrhunderts findet. Das macht ihn nicht weniger überzeugend. Er ist der Schlüssel für ein gelingendes Zusammenleben von Menschen mit verschiedenen Religionen, Kulturen, Weltanschauungen und Lebenseinstellungen gerade in unserer moderne und komplexen Welt, in der sich viele verschiedene Weltsichten treffen und es keine einheitliche Norm für eine Gesellschaft gibt. Es braucht notwendigerweise ein unveräußerliches Fundament, auf dem alle stehen, v.a. das Gesetz von der unantastbaren Würde jedes Menschen, es braucht den Spielraum für das eigene Denken und Streiten, v.a. aber braucht es ein umfassendes Prinzip, das uns nicht wild und unbarmherzig aufeinander losgehen lässt, die Liebe zu den Menschen. Oft wird diese kluge Einsicht, so auch von Papst Johannes Paul II., als Basis für ein gutes ökumenisches Zusammenleben in Erinnerung gerufen: Christen brauchen eine notwendige Einheit in der Taufe und dem Glauben an den einen Gott, aber sie müssen nicht alle in gleicher Weise Christen sein, wenn sie wissen, dass sie in der Liebe miteinander als Schwester und Brüder Jesu verbunden sind. In den drei kleinen Halbsätzen kann also ein Grundgesetz für das Leben der Menschen und für das Miteinander der Glaubenden gefunden werden. Ich möchte den Faden aufgreifen und weiterspinnen im Blick auf das Fest der Allerheiligsten Dreifaltigkeit, das wir heute feiern. Die Lesungen vertiefen den Blick auf das Notwendige des Glaubens, die Freiheit der Kinder Gottes, die uns auszeichnet, und die Liebe als Band, das alles zusammenhält. Paulus fasst es heute in die Kurzformel, die wir auch in der Liturgie gebrauchen: „Die Gnade des Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen! “ Gnade – Liebe – Gemeinschaft: in diesem Dreiklang verwirklicht sich die Regel, die wir eingangs gehört haben.

Das Notwendige unseres Glaubens ist das Wissen, dass wir allein aus Gnade unser Leben haben und wir immer Beschenkte sind. Wir sprechen am Anfang unseres großen Glaubensbekenntnis, das auf den ersten Konzilien der Kirche in Nizäa und Konstantinopel fußt und seit dem Konzil von Chalkedon 451 als verbindlich für Christen in Ost und West gilt : „Wir glauben an den einen Gott, den Vater, den Allmächtigen, der alles erschaffen hat, Himmel und Erde, die sichtbare und die unsichtbare Welt.“ Während unser Apostolisches Glaubensbekenntnis, das wir gewöhnlich bei liturgischen Feiern verwenden, eine Bestätigung unseres je eigenen Taufglaubens ist, ist das „große Credo“ ein Ausdruck der Übereinstimmung alle Christen. Es legt zuerst das Fundament, dass keiner Leben schaffen kann außer dem einen Gott. Es gibt nichts zwischen Himmel und Erde, das nicht allein seinem Willen entspringt und unterworfen bleibt. Das zieht notwendigerweise für den Menschen die rote Linie, die Grenze zur Herrschaft über das Leben nicht zu überschreiten. Leben steht nicht in der Verfügungsgewalt des Menschen. Er kann es nicht schaffen, er darf nicht über sein Ende entscheiden. Letztlich ist das Bekenntnis zum Schöpfer nicht eine Unterwerfung unter den rätselhaften Willen eines allmächtigen, launischen Dämons, sondern die Zustimmung zum biblischen Bild vom ewigen Gott, der den zeitlichen Kosmos, die Welt und den Menschen trotzt ihrer Endlichkeit als gute Schöpfung ins Dasein gerufen hat. Es ist auch die Garantie gegenüber allem, was lebt, dass wir es als Gabe Gottes achten, seine Einmaligkeit und Würde respektieren und das Recht auf Leben schützen. Nur auf diesem Fundament können wir Menschen sein, die als Abbild Gottes Sachwalter der Schöpfung sind und nicht einander zum Unglück zu werden.

Aber dieses Leben bleibt ein rätselhaftes Dasein mit vielen ungelösten Fragen und Zweifeln, die unser Leben begleiten. Gott hat uns nicht als Sklaven geschaffen, denen er das Denken verboten hat. Gerade angesichts von Schicksalsschlägen und der Angst vor der Zukunft spüren wir, dass wir nicht wie Marionetten gesteuert werden, sondern immer auch verantwortlich über unseren Lebensweg und unseren Glauben entscheiden müssen. Das große Glaubensbekenntnis entfaltet v.a. den Teil der Menschwerdung Jesu, „den einen Herrn Jesus Christus, Gottes eingeborenen Sohn, aus dem Vater geboren vor aller Zeit: Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott, gezeugt, nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater; durch ihn ist alles geschaffen. Für uns Menschen und zu unserem Heil ist er vom Himmel gekommen, hat Fleisch angenommen durch den Heiligen Geist von der Jungfrau Maria und ist Mensch geworden.“ In diesen Zeilen wird die Botschaft des heutigen Evangeliums zusammengefasst: Gott hat seinen Sohn in die Welt geschickt, „damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat.“ Wir werden mit vielen Ereignissen und Vorgängen in unserem Leben und in der Welt konfrontiert, die uns am guten Gott auch zweifeln lassen und die Angst befördern, dass wir hier unserem Schicksal ohnmächtig ausgeliefert sind. Gott bevormundet uns nicht, sondern nimmt unsere Sorgen und Zweifel ernst, so dass er in Jesus Christus selbst die Zwiespältigkeit des Lebens annimmt, das zum einen glücklich und gelingend sein kann und zum anderen immer bedroht ist durch Zerbrechlichkeit und Endlichkeit. Immer wieder rufen uns die neutestamentlichen Schriften, v.a. der Apostel Paulus, in Erinnerung, dass wir zur Freiheit der Kinder Gottes berufen sind. Wir können uns frei für ihn entscheiden, wenn wir in Jesus den Gott erkennen, der unserem Leben seine Würde bewahrt oder sie wiederherstellt, die durch Schuld und Misstrauen verletzt wurde. Wir sind keine fremdgesteuerten Roboter, sondern aus eigener Kraft in der Lage, uns für den richtigen Weg zu entscheiden. Das große Geschenk, das untrennbar mit der Tragik des Leids verbunden ist, ist die Freiheit, in der wir uns für das Gute entscheiden können. Das traut uns Gott zu.

Gelingen wird das aber nur, wenn der Geist der Liebe in uns wirken kann. Paulus schreibt im Römerbrief: Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist“ (Röm 5,5) Liebe ist für uns ein Schlüsselwort für ein glückliches Leben: Offenheit, Akzeptanz, Wohlwollen, Vertrauen, Leidenschaft, Hingabe, eine tiefe und innige Beziehung zu einem Menschen, die mich ein Leben lang trägt. Wir verbinden mit dem Begriff „Liebe“, wenn er uns nicht allzu abgedroschen in Filmen und Songs aufgedrängt wird, immer die positive Vorstellung von einem Leben, das nach vorne schaut. Liebe bleibt nicht stehen, sie wächst immer und will tiefer werden. Menschen, die wir lieben, sind Weggefährten, egal wie weit wir voneinander möglicherweise entfernt sind. Liebe ist für uns Menschen immer erstrebenswert, ja Ziel unserer Sehnsucht: Ich bin für jemanden wichtig und der andere Mensch ist es für mich. Jemand schenkt mir Liebe und ich darf sie ihm / ihr geben. Da steckt Dynamik drin. Liebe mauert nicht ein, sie öffnet Wege. Liebe muss gar nicht dauernd zelebriert werden. Sie ist manchmal der Kuss, den sich ein Pärchen mitten auf der Straße gibt, oder die junge Familie, die im Park ihre Decke ausbreitet und mit ihrem Kind spielt. Liebe ist immer ohne Berechnung. Diese Grundhaltung, auch wenn ich nicht in alle Menschen verliebt sein kann und will, soll den Geist prägen, in dem ich in der Welt lebe. Es ist der Geist Gottes, der Geist der Liebe, den wir vor einer Woche gefeiert haben. Gott ist so uns gegenüber eingestellt. Er stellt keine Forderungen, was wir erreichen müssen und wer wir gewesen sein wollen. Ich habe immer ein wenig Bedenken, Gott als den „lieben Gott“ zu verharmlosen und ihn so auf einen gütigen Großvater zu reduzieren, aber letztlich ist das Bild, das uns Jesus von Gott vermittelt hat, eindeutig auf die Liebe festgelegt: Keine blinde Vernarrtheit in den Menschen, die immer wegschaut, sondern ein Liebe, die ihm sagt, dass er ohne Vorleistung gewollt ist. Aber das Erkennen der Liebe, die Gott in Jesus zu uns hat, fordert unsere Gegenliebe heraus zu ihm und allen Menschen, in denen uns sein Angesicht entgegen strahlt. Vorurteilsfrei und vorbehaltlos Menschen begegnen, sie nicht festzulegen und in Schubladen von moralischen Qualitäten abzulegen, ist die Grundhaltung, die aus dem Glauben an den dreieinen Gott entspringt.

„In necessariis unitas, in dubiis libertas, in omnibus caritas“ „wo notwendig, da Einheit; wo Zweifel, da Freiheit; in allem Liebe“ – der dreieine Gott weist uns diese Grundhaltung als ein sicheres Geländer, um in dieser Welt zu bestehen und so das ewige Leben in ihm zu finden. Amen. (Sven Johannsen, Pfr. )

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